S 03/18 EKIT-Hüfte

S 03/18: "Evidenz- und konsensbasierte Indikationskriterien zur Hüfttotalendoprothese (EKIT-Hüfte)" Prof. Dr. med. Klaus-Peter Günther, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden.

Abstract: Günther K.-P., Deckert S., Lützner C., Lange T., Einhart N., Lützner J., Schmitt J., Postler A.

Hintergrund
Die Implantation einer Hüfttotalendoprothese (Hüft-TEP) ist der häufigste endoprothetische Eingriff in Deutschland. Vor allem Unterschiede in regionalen Operationsraten verdeutlichen den Bedarf an standardisierten Entscheidungskriterien der behandelnden Ärzt*innen. Bislang existieren weder national noch international Leitlinien auf S3-Niveau für die Indikationsstellung zur Hüft-TEP.

Zielsetzung
Um zukünftig eine einheitliche und angemessene ärztliche Indikationsstellung zu erlauben, wurde durch die Initiative „Evidenz- und konsensbasierte Indikationskriterien zur Hüfttotalendoprothese (EKIT-Hüfte)“ eine S3-Leitlinie erarbeitet.

Methode
Basierend auf den Themengebieten (1) Diagnosesicherung (Sicherung des objektiven Therapiebedarfs), (2) Leidensdruck der Patient*innen (Erfassung des subjektiven Therapiebedarfs), (3) Prüfung alternativer Therapiemaßnahmen (Zweckmäßigkeit), (4) Kontraindikationen, (5) Optimierung modifizierbarer Risikofaktoren und (6) partizipative Entscheidungsfindung wurden klinisch relevante Fragestellungen definiert, welche die Basis für eine sich anschließende umfassende systematische Literatur- und Leitlinienrecherche (letztes Update 08/2020) lieferten. Die durch einen mehrstufigen Selektionsprozess systematisch identifizierte Studienevidenz wurde bezüglich der methodischen Qualität mit Hilfe von standardisierten Instrumenten bewertet. Die strukturierte Konsensfindung erfolgte in Form einer moderierten Konsenskonferenz (09/2020). Um die Leitlinienimplementierung zu fördern, wurde auf der Grundlage der verabschiedeten Empfehlungen im fachlichen Diskurs eine praxistaugliche Checkliste zu den Indikations- und Kontraindikationskriterien erarbeitet.

Ergebnisse
Insgesamt wurden 31 Empfehlungen zu 6 Themengebieten verabschiedet (siehe Abb.1). Dabei handelt es sich um 20 evidenzbasierte (davon 15 mit dem Empfehlungsgrad A) und 11 auf einen Expertenkonsens basierende Empfehlungen (davon 10 mit der Syntax „soll“). Für die im Versorgungsalltag anwendbare Checkliste wurden diejenigen Empfehlungen ausgewählt, die als Entscheidungshilfe a) konkrete Kriterien als Voraussetzung für eine Hüft-TEP, b) konkrete Kriterien gegen eine Hüft-TEP und c) konkrete Kriterien für eine Optimierung des Operationsergebnisses benennen sowie d) den partizipativen Entscheidungsprozess unterstützen (siehe Abb.2).

Diskussion
Durch eine leitlinienkonforme Indikationsstellung kann eine bedarfsgerechte und zweckmäßige medizinische endoprothetische Versorgung der Coxarthrose sichergestellt werden. Weiterführend sollen die (Kontra-)Indikationskriterien als Grundlage für die Ableitung von Qualitätsindikatoren herangezogen werden. Somit kann perspektivisch evaluiert werden, ob die Leitlinienempfehlungen im Versorgungsalltag umgesetzt werden und deren Anwendung zu einer Verbesserung der Indikationsqualität führt.

Praktische Implikationen
Die in Form einer Checkliste aufbereiteten Indikations- und Kontraindikationskriterien ermöglichen eine angemessene ärztliche Indikationsstellung.


Erwartungen von Patienten mit Coxarthrose vor einer Hüfttotalendoprothese - eine bundesweite Befragung

Abstract: C. Lützner, K.-P. Günther, T. Lange, J. Lützner, J. Schmitt, A. Postler

Hintergrund
Bei der Indikation für eine Hüfttotalendoprothese (Hüft-TEP) stehen vor allem die Schmerzen und Funktionseinschränkungen der Patienten sowie radiologische Veränderungen und das Versagen der konservativen Therapie im Vordergrund. Obwohl es umfangreiche wissenschaftliche Arbeiten zum Einfluss von Patientenzielen auf das Ergebnis nach Hüft-TEP gibt, werden patientenbezogene Kriterien in internationalen Leitlinien nur selten berücksichtigt.

Zielstellung
Ziel der Befragungsstudie war es, mit einer repräsentativen bundesweiten Befragung die Zielvorstellungen von Patienten mit Coxarthrose an die Ergebnisse nach einer Hüft-TEP-Operation zu evaluieren.

Material und Methoden
Der Fragebogen wurde aus den Ergebnissen von fünf Patienten-Fokusgruppen entwickelt, bei welchen mit betroffenen Patienten über Zielvorstellungen und deren Priorisierung im Zusammenhang mit einer Hüft-TEP-Operation diskutiert worden war. Abgefragt wurden insgesamt 42 Einzelitems in den sieben Kategorien: Symptome, Funktion, körperliche Aktivität, Aktivitäten des täglichen Lebens, gesundheitsbezogene Lebensqualität, allgemeiner Gesundheitszustand und Inanspruchnahme von medizinischen Gesundheitsleistungen. Die Patienten konnten kennzeichnen, ob sie die entsprechenden Beschwerden/ Einschränkungen haben und welche Erwartungen sie diesbezüglich mit der Operation verknüpfen.

Ergebnisse
Die bundesweite Befragung wurde von 09/2019 bis 03/2021 unter 691 Patienten mit Coxarthrose durchgeführt, 644 ausgefüllte Fragebögen wurden ausgewertet.
Das Durchschnittsalter betrug 65,5 Jahre (± 11,5) und 55,4% waren weiblich. Bei 91,9% wurde eine Hüft-TEP als Behandlungsoption in Betracht gezogen, bei 70,5% war die Hüft-TEP innerhalb der nächsten drei Monate geplant.
Die Erfüllung folgender Zielvorstellungen wurde von mehr als 75% der Befragten als "zwingend notwendig" angesehen: Linderung der Hüftschmerzen (90,7%), Verbesserung des Bewegungsumfangs (88,9%), Verbesserung der Freizeitaktivitäten (82,0%) und der Gehfähigkeit (82,0%), geringere Wahrnehmung/ Präsenz des betroffenen Gelenkes (78,0%), Verbesserung des Aufstehens und Hinsetzens (77,1%) und Minderung der Schonhaltung (76,0%).
Damit priorisierten die Patienten Ziele in den Kategorien Symptome, Funktion und körperliche Aktivität. Die Verbesserung der Aktivitäten des täglichen Lebens, der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, des allgemeinen Gesundheitszustands und der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen waren weniger wichtig (von weniger als 75% der Patienten als "zwingend notwendig" betrachtet).

Schlussfolgerung
Die Patienten haben hohe Erwartungen an die Hüft-TEP, die sich vor allem auf Schmerzen und Beschwerden, Funktionsbeeinträchtigungen und Einschränkungen der körperlichen Aktivität beziehen. Insbesondere die ständige Präsenz/ die bewusste Wahrnehmung des betroffenen Gelenkes stellt für Patienten ein Problem dar. Chirurgen sollten die Zielvorstellungen ihrer Patienten explizit erfragen. Im gemeinsamen Entscheidungsfindungsprozess für oder gegen eine Hüft-TEP sollte anschließend diskutiert werden, inwiefern die Zielvorstellungen der Patienten durch die Operation erfüllt werden können.