S 02/09: Psychische Prädiktoren

Einfluss psychologischer Faktoren auf das Ergebnis von Patienten nach Implantation einer Knie-Totalendoprothese - lassen sich psychische Prädiktoren für ein schlechteres Ergebnis finden?

Dr. med. Michael Hirschmann, Kantonsspital Bruderholz, Orthopädie und Traumatologie

(abgeschlossen 08/2012)

Fragestellung:
Bei Patienten mit den Alltag einschränkender Arthrose des Kniegelenkes stellt die Implantation einer Knietotalprothese die Therapie der Wahl mit in hohem Masse überzeugenden klinischen und radiologischen Ergebnissen dar. Trotzdem existiert immer noch eine hohe Rate an Patienten (20-40%) die postoperativ mit den Resultaten nicht zufrieden sind. Erstaunlicherweise ist bei diesen Patienten nach objektiven Kriterien (Implantat-Positionierung, Restoration der Gelenklinie, exakt rekonstruierte mechanische Achse und adäquate Weichteil-Balancierung) oft ein gutes Ergebnis zu konstatieren. Dieser Widerspruch ist bis heute ungelöst.
Mit unserer Studie wollten wir überprüfen, ob verschiedene psychische Faktoren wie das Persönlichkeitsprofil, die Selbstwirksamkeitseinschätzung, eine Depression oder Angststörung das objektive und subjektive Ergebnis nach Implantation einer Knietotalprothese beeinflussen können.
Methodik:
Im Rahmen einer prospektiven klinischen und radiologischen Studie wurden 110 konsekutive Patienten, die aufgrund einer Arthrose des Kniegelenkes eine Knietotalprothese erhielten, auf Grundlage der Genehmigung der Ethikkommission eingeschlossen. 99 Patienten hatten einen vollständigen Nachuntersuchungszeitraum (mittleres Alter±SD 70±11 Jahre, m:w=44:55, mittlerer body mass index±SD 29±6). Die Patienten erhielten präoperativ folgende Selbstevaluationsbögen: Becks Depressionsinventar in deutscher Version, Fragebogen zur Erhebung von Kontrollüberzeugungen zu Krankheit und Gesundheit-KKG, State Trait Angstinventar, Symptom-Checkliste von L.R. Derogatis- Deutsche Version. Diese erfassen neben einer möglichen Depression, Angstempfindungen und Überzeugungen der Patienten, was diese selbst für eine gute Heilung ihres Kniegelenkes leisten können. Das objektive Ergebnis wurde präoperativ und 6 Wochen und 4 Monate postoperativ anhand von standardisierten klinischen Ergebnisinstrumenten (visuelle Analog-Skala für Schmerz, Angst und Zufriedenheit, Knee Society Score und den WOMAC-Score) erfasst.
Kontinuierliche Variablen wurden als Mittelwert±SD, kategoriale Variablen als absolute and relative Häufigkeiten angegeben. Die psychischen Variablen wurden untereinander als auch mit den subjektiven und objektiven Ergebnisvariablen auf bestehende Zusammenhänge untersucht (Pearson, Spearman p<0.05).
Ergebnisse:
Die erfassten Outcome-Instrumente zeigten folgende Ergebnisse:
WOMAC SchmerzT1 28±14, WOMACT1 Steifigkeit 36±20, WOMAC T1 Funktion 27±16, KSS A T1 84±12, KSS B T1 74±20, KSS Total T1 158±28, WOMAC T2 Schmerz 25±17, WOMAC T2 Steifigkeit 32±20, WOMAC T2 Funktion 26±15, KSS A T2 88±14, KSS B T2 89±15, KSS Total T2 177±26. Insgesamt wurde ein starker Anstieg der Funktionsscores über den 4-Monatsverlauf beobachtet und gute funktionelle Ergebnisse nach Knie-TP-Operation erreicht.
Eine vorliegende Depression (gemessen mit Becks Depressionsinventar als auch mit dem SCL-90) beeinflusst die Funktion des Kniegelenkes sowohl vor als auch nach der Knieprothesenoperation signifikant negativ. Je mehr depressive Faktoren festgestellt wurden, je schlechter das funktionelle Ergebnis.
Angst (gemessen mit STAI Trait and State) zeigt ebenso eine signifikant schlechtere Kniefunktion mit zunehmender Angst.
Die mit dem SCL-90 gemessenen Variablen Somatisierung, Zwanghaftigkeit, Unsicherheit mit sozialen Kontakten, Depressivität, Ängstlichkeit, Aggressivität, Phobische Angst und Paranoides Denken zeigen gleichartige Zusammenhänge. Diese sind wenn als Gesamtscore ausgewertet noch deutlicher signifikant.
Alle Patienten mit „schlechterem“ psychischem Profil zeigten im Vergleich mit Patienten, die ein „besseres“ Profil aufwiesen bereits präoperativ erniedrigte Outcome-Werte (WOMAC, KSS). Allerdings wurde ein gleichartiger Anstieg über die Zeit (4-Monate) beobachtet. Der präooperativ bestehende Unterschied im funktionellen Outcome blieb allerdings bestehen. Patienten mit schlechteren Ausgangs-Werten blieben auch nach 4 Monaten schlechter.
Schlussfolgerung:
Aufgrund unserer Ergebnisse werden wir ein Fragebogen-Screening unserer Patienten vor einer Knietotalprothesen-Operation durchführen und unter Umständen eine unterstützende psychologische Therapie empfehlen. Wir erhoffen uns dadurch eine Verbesserung unserer funktionellen Ergebnisse nach Knietotalprothesen-Operation.

Publikationen:
Michael T. Hirschmann, Enrique Testa, Felix Amsler, Niklaus F. Friederich

The unhappy total knee arthroplasty (TKA) patient: higher WOMAC and lower KSS in depressed patients prior and after TKAKnee Surg Sports Traumatol Arthrose DOI 10.1007/s00167-013-2409-z
www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed