S 01/14 Kleinkopf Metall-Metall Gleitpaarung

Klinische und radiologische Langzeitergebnisse einer Kleinkopf Metall-Metall-Gleitpaarung in der Hüftendoprothetik 12-18 Jahre nach Implantation. - Eine Risikoanalyse hinsichtlich der Inzidenz lokaler sowie systemischer abrieb-assoziierter Nebenwirkungen unter Berücksichtigung der Metallionenkonzentrationen im Blut.

Priv.-Doz. Dr. med. Tobias Gotterbarm
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universität Heidelberg, Deutschland
(Laufzeit 07/14 - 01/2016)

Zusammenfassung
Einleitung: Im Rahmen von Verschleiß- und Korrosionsprozessen kommt es bei künstlichen Gelenkimplantaten zur Freisetzung von Abriebpartikeln und Metallionen. Insbesondere bei Metall-Metall-Gleitpaarungen kann dies zu unerwünschten lokalen Überempfindlichkeitsreaktionen im Knochen oder im periartikulären Weichgewebe (sog. adverse reaction to metal debris = ARMD) führen. Laut aktuellen Konsensusempfehlungen sind für Hüfttotalendoprothesen mit Metall-Metall-Gleitpaarung und kleinen Kopfdurchmessern (<32mm) systematische Nachuntersuchungen entsprechend konventionellen Totalendoprothesen ausreichend. Aussagekräftige Daten über die Metallionenexposition im Langzeitverlauf und damit assoziierte Nebenwirkungen fehlen jedoch für diese Gleitpaarung. Ziel dieser Studie war, anhand eines großen Patientenkollektivs die Prävalenz erhöhter Metallionenspiegel bei Patienten mit einer 28-mm Kleinkopf Metall-Metall-Gleitpaarung (Typ Metasul) im Langzeitverlauf zu untersuchen und mögliche Risikofaktoren für eine erhöhte Metallionenbelastung zu identifizieren.
Methoden: Im Rahmen dieser Studie wurde eine konsekutive Kohorte von 301 Patienten (329 Hüften) mit Hüfttotalendoprothese und Kleinkopf Metall-Metall-Gleitpaarung (28mm, Metasul) retrospektiv nachunter-sucht. Bei insgesamt 149 Patienten mit uni- oder bilateraler Hüfttotalendoprothese vom Typ Metasul erfolgte die Bestimmung der Metallionenspiegel im Blut nach einem mittleren Follow-up-Zeitraum von 14 Jahren. Mögliche Risikofaktoren für eine erhöhte Metallionenbelastung (wie z.B. BMI, Patientenalter, Geschlecht oder Pfannenneigungswinkel) wurden im Rahmen einer multivariaten Regressionsanalyse untersucht. Alle Patienten mit erhöhten Metallionenwerten (Kobalt- oder Chromspiegel >1µg/L, n=107) wurden im Rahmen der Studie zum Ausschluss einer ARMD zu einer MR-Tomograhie des Hüftgelenks eingeladen. 53 Patienten (66 Hüftendoprothesen) willigten in die Nachuntersuchung mittels MARS MRT (=Metal Artifact Reduced Sequence) nach einem mittleren Follow-up von 15.5 Jahren (range 10.6 - 19.3 Jahre) ein.
Ergebnisse: Die mittlere Kobaltionenkonzentration betrug 0.92 µg/L (range 0.22 - 13.58 µg/L) bei Patienten mit unilateraler Versorgung und 2.51 µg/L (range 0.43 - 24.75 µg/L) bei Patienten mit bilateraler Versorgung. Der mittlere Chromionenspiegel betrug 1.48 µg/L (range 0.04 - 22.69 µg/L) in der unilateralen und 2.42 µg/L (range 0.26 - 16.75 µg/L) in der bilateralen Gruppe. Im Kollektiv zeigten 72% der Patienten entweder Kobalt- oder Chromionenspiegel >1µg/L und 28% der Patienten Kobalt- oder Chromionenspiegel >2µg/L. Im Rahmen der Regressionsanalyse konnte kein Zusammenhang zwischen der Metallionenkonzentration im Blut der Patienten und möglichen Risikofaktoren oder dem radiologischen Nachweis periprothetischer Osteolysen festgestellt werden. Bei 27 der 66 mittels MRT nachuntersuchten Hüften (41%) zeigten sich ARMD-suspekte Auffälligkeiten. Sie bestanden vorwiegend aus zystischen Läsionen mit einer durchschnittlichen Größe von 7.1 cm3 (range 0.3 – 71.4 cm3). 67% der Patienten mit ARMD waren asymptomatisch. In unserer Kohorte zeigte sich eine positive Korrelation zwischen der Kobaltionenkonzentration und dem Auftreten von ARMD (odds ratio 3.11; 95% confidence interval 1.03 – 9.36; p=0.043).
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass erhöhte Metallionenspiegel im Blut nicht nur bei Pati-enten mit Großkopf Metall-Metall-Gleitpaarungen sondern auch bei Patienten mit Kleinkopf Metall-Metall-Implantaten auftreten können. Fast ein Drittel der Patienten unseres Kollektivs zeigten Kobalt- oder Chromio-nenspiegel über 2g/L. Wir empfehlen die Bestimmung der Metallionenkonzentrationen im Blut auch bei asymptomatischen Patienten mit Hüfttotalendoprothese und Kleinkopf Metall-Metall-Gleitpaarung im Sinne einer Baseline-Diagnostik, um betroffene Patienten zu identifizieren. In diesem Kollektiv zeigten 41% der mit-tels MRT nachuntersuchten Hüften ARMD-suspekte Läsionen. Wir empfehlen eine erweiterte Schnittbildgebung mittels MARS MRT bei allen symptomatischen und asymptomatischen Patienten mit erhöhten Metallio-nenspiegeln und Kleinkopf Metall-Metall-Gleitpaarung, um mögliche Abrieb assoziierte Komplikationen frühzeitig erkennen zu können.